Kultur-TschoK  


Herr der Ringe Triple Feature, O.m.U.

Ja, moin!

Auch auf die Gefahr hin, dass ich jetzt für noch wahnsinniger erklärt werde, als ich offenbar schon bin: Ich war mal wieder im Kino. Natürlich in meinem geliebten Hamburger Abaton. Und habe mich dort in den ultimativen Kinomarathon schlechthin gewagt: In das Herr der Ringe Triple Feature. Sprich: Teil 1 bis 3 hintereinander weg - in der englisch-elbischen Originalversion mit Untertiteln.

Und das, obwohl ich der ganzen Herr der Ringe-Hysterie bislang ungeschoren entfliehen konnte und bislang auch nicht das geringste Interesse verspürte, mich näher mit diesen Literaturverfilmungen zu beschäftigen. Denn dazu hatten mich Tolkiens Bücher schon als Jugendlicher viel zu sehr fasziniert - die Trilogie verschlang ich schon vor knapp 20 Jahren am Stück. Und war seither der festen Meinung, dass diese Meisterwerke unverfilmbar sind und bleiben sollten. Obwohl ich nach 20 Jahren vieles vergessen hatte. Was letztendlich auch mitentscheidend dafür war, dass ich dann doch ins Kino gegangen bin.

Hauptentscheidend für diesen Entschluß war ein Teaser zur ‚Rückkehr des Königs', der mich letztlich und zufällig im Rahmen des ‚Soft-Opening' des neuen Bremer Space Centers beim Probesitzen auf unerträglich schmalen Sitzen (offenbar Modell ‚Sudan light - ich warne jeden halbwegs mittelprächtig gebauten Mitteleuropäer vor diesen Folterstühlen) begeisterte und mit dem tödlichen HdR-Virus infizierte. Als ich dann noch per Kino-Newsletter auf das Triple Feature aufmerksam gemacht wurde, konnte ich nicht mehr ruhig schlafen. Und entschied mich erst am Abend vor der Aufführung, diesen Filmmarathon auf mich zu nehmen. Denn auf DVD und meinem zwar nicht gerade kleinen aber natürlich nicht mit Kinoleinwand vergleichbarem Fernseher wollte ich mir das auch nicht antun. Es gibt Filme, die muss man einfach im Kino sehen. Und Herr der Ringe gehört einfach dazu.

Ersteindruck
Insgesamt dauerte die ganze Aktion von 10 Uhr Morgens bis 21 Uhr Abends - mit zwei knapp 30-minütigen Pausen. Insgesamt also mehr als 9 Stunden Leinwandglotzen nonstop. Und vorab: Nein, es war nicht langweilig - von einigen kurzen Durchhängern im zweiten Teil mal abgesehen. Und nein: Ich habe es auch nicht bereut. Sondern war und bin immer noch begeistert und wie besoffen von diesen 9 Stunden unvergleichlichem Kinoerlebnis, von 9 Stunden langem Eintauchen in eine beeindruckende magische Welt, die Peter Jackson in nahezu perfekter Art und Weise auf Zelluloid gebannt hat.

Ich verstehe jetzt, warum sich in den Kino- und DVD-Foren im Web so viele Smeagols, Gandalfs, Aragons und Gollums tummeln. Ich verstehe jetzt, warum sich Sammler um Herr der Ringe-Figuren schlagen, dreidimensionale Poster von Mittelerde an die Wand heften und es kaum erwarten können, bis eine neue ultimative Sonderspezialextraplatinumwidecreencollectorsedition als Directors Cut auf DVD herauskommt. Und dem HdR-Virus einfach erlegen sind. Denn ich bin es mittlerweile auch. Teils zum Leidwesen meiner geplagten Umwelt, des Abaton Kinos und natürlich auch meiner geliebten EBH. Und auch zum Leidwesen des geehrten Lesers, den ich hier mit diesem epischen Filmbericht malätriere. Er möge mir verzeihen. Und weiterlesen.

Vorbereitung
Knapp 10 Stunden Kino-Aufenthalt müssen gut geplant sein. Frodo ist schließlich auch nicht mal eben so zwischen Mittags- und Abendessen nach Mordor gelatscht. Und das deutsche Kino-Publikum ist oftmals nicht viel weniger grauenerregend als Gollum. Zwar bevorzugt es laut knisternde Chips statt frischer Fische, stinkt eher penetrant nach Nutteldiesel als nach Fisch und nervt mehr durch Handygelaber als durch schizoide Selbstgespräche. Aber das ist halt nur eine andere Variante des Grauens - aber keine erträglichere.

Ich packe also schon am Vorabend meinen Outdoorerprobten Tatonka-Rucksack mit den folgenden ultimativen Herr-der-Ringe-Triple-Feature-O.m.U-Surviving-Utensilien:

3 Flaschen Mineralwasser: Diese eignen sich hervorragend zum Durstlöschen. Denn auf drei Euro für ne Flasche Kölsch habe ich wirklich keine Lust. Ins Glas pissen ist billiger und bringt - mit etwas Kohlensäure angereichert - geschmacklich fast denselben Effekt.
Zudem kann man Mineralwasserflaschen auch nervigen Personen auf dem Sitz vor einem entweder auf die Rübe knallen oder auch entleeren - letzteres ist eine optimale Methode, um knisternde Chips zu entschärfen. Denn nasse Chips knistern nicht. Und nasse Chipsesser bleiben nicht im Kino sondern gehen im Regelfall beleidigt nach Hause. Das führt dann zwar zu den unvermeidlichen "Mensch läuft durchs Bild"-Artefakten, die der divx-Userschaft bestens bekannt sein dürften (nein, ich bin trotzdem NICHT für alle durchs Bild laufenden Pinkelbüchsen verantwortlich), ist aber im Kino weit weniger störend als stundenlanges Chipsgeknister und Chipstütengeraschel.

2 Tafeln Schokolade: Schokolade macht wach, ist leise (solange es sich nicht grade um die neuesten Kellogs Cornflakes in Tafleform mit Schokoüberzug handelt), schärft die Sinne, macht Sitznachbarinnen feucht, mich satt und ist lecker. Also ordentlich rein damit in den Rucksack.

2 Flaschen Astra Bier: Hervorragend dazu geeignet, auch dümmlichen Humor a la Farrelly-Brothers herrlich zu finden, macht besoffen und schmeckt gut. Darf in keiner Triple-Feature-Ausstattung fehlen.

1 Harry Potter Kuschelkissen: Weil es ohne mein altbewährtes Harry Potter Kuschelkissen einfach nicht gemütlich ist. Zieht definitiv beneidenswerte Blicke der Kinobesucher auf sich und ist voll waschbar. (Für die Harry Potter Filmnacht wählt man natürlich ein Kuschelkissen mit Herr der Ringe-Motiv.)

Bequeme Kleidung: Da die wenigsten von Euch einen ganzen Tag zu Hause vor der Glotze im Smoking verbringen werden dürfte einleuchten, dass bequeme Kleidung für ein HdR-Triple-Feature extrem wichtig ist. Das Aussehen ist wirklich zweitrangig - im Kino guckt schließlich niemand drauf. Ich bin deshalb mit meiner ALDI Jogginghose in FC-Darmdorf Vereinsfarben, dem Harry Potter-T-Shirt, der Ernie&Bert-Strickmütze und den Adiletten in bequemen Tennissocken nicht wirklich aufgefallen. Im Kino jedenfalls. Vor der Kasse schon, aber dafür bin ich auch recht schnell nach vorne durchgelassen worden. Und hatte um mich rum im Kino jede Menge Platz!

Sehr praktisch sind übrigens auch vernünftige Hosenpolster. Dafür kann man entweder ein Kuschelkissen nehmen, das man sich in den Hosenboden der Jogginghose steckt. Oder aber auch eine Reihe Binden der EBH, die - ausreichend nebeneinander und übereinander geklebt - den Hintern nachhaltig schonen. Ganz wichtig ist es daran zu denken, dass man die Dinger rausnimmt, bevor man den Kinosaal in der Pause verlässt. Sonst gucken die Leute komisch und man verbringt den Rest des Tages in der Geschlossenen statt im Kino.

Ausreichende Ersatzprothesen: Brillenträger: An Putztuch und Ersatzbrille denken. Hörgeräteträger: Batterien einpacken! Rollstuhlfahrer: An ein Extrapolster für den Hintern denken! Divx-Playa-Freaks: Mama oder Papa mitnehmen!

Telefonnummern für den Notfall: Auf jeden Fall parat haben sollte man die aktuelle Telefonnummer der örtlichen Chiropraktik-Ambulanz, des persönlichen Masseurs und des orthopädischen Notdienstes. 10 Stunden Sitzen in Kinobestuhlung sind alles andere als ein Pappenstiel. Ich weiß jetzt ungefähr, wie sich ein Pfahlhocker im Heide-Park Soltau nach dem ersten Tag fühlen muss.

Tropic Dreams: Die unangenehme Eigenschaft vieler Zeitgenossen, sich vor allem vor dem Auftreten in Menschenmassen mit literweise Nuttendiesel der übelsten Sorte einzuduften hat mich mittlerweile dazu bewegt, nie ohne eine Dose Raumspray ins Kino zu gehen. Hervorragende Dienste leistet dabei "Tropic Dreams", das bei reichhaltiger Anwendung nicht nur Nuttendieselgerüche aller Art wirkungsvoll eliminiert sondern auch eine Art Trancezustand bei den Eingesprühten bewirkt, der sich auf ihre Konfliktbereitschaft sehr positiv auswirkt und körperliche Schäden beim Sprühenden damit präventiv verhindert.

Xenon Taschenlampe: Ebenfalls eine hervorragende Art der Selbstverteidigung im Kino ist eine dieser neuartigen Xenon-Taschenlampen, die ein unglaublich grelles Licht erzeugen, mit dem man die sich in der Anonymität des Kinosaals sicher fühlenden Chipstütenknisterer, Rumpupser, Handyfonierer und sonstige Freaks hervorragend ins Flutlicht setzen kann. Dies wirkt in Verbindung mit einem laut gerufenen "Würden Sie bitte mal aufhören hier ständig rumzupupsen" wirklich Wunder - in der Regel erstrahlen die Köpfe der auf diese Art und Weise ertappten, erleuchteten und bloßgestellten Personas non gratas in einem derart hellen Rot, dass auf die Taschenlampe zur Illumination der schamvollen Visagen im Weiteren verzichtet werden kann.


Montag morgen, 09:15 Uhr
Derart und damit für alle Eventualitäten ausgerüstet lasse ich mich also am frühen morgen von meiner mich kritisch beäugenden EBH zum Kino fahren. Aus mir unerklärlichen Gründen verzichtet diese darauf, mich vor den Augen aller vor der Kinokasse Wartenden zu verabschieden sondern setzt mich mit einem mitleidvollen und leicht belustigten Blick in einer Nebenstrasse ab, um sich danach schnell aus dem Staub zu machen.

Ich pilgere zum Kino, vor dem sich schon eine kleine Schlange weiterer Verrückter eingefunden hat. Mein professionelles HdR-Triple-Feature-Outfit wird mit anerkennenden Blicken gewürdigt und ich werde - wohl aufgrund meines überzeugenden Auftretens - ohne weiteres direkt nach vorne gelassen. Fängt ja gut an!

09:45 Uhr
Die Kasse ist geöffnet. Ich erstehe erst einmal zwei Karten für Teil 1 und 2 und behalte mir vor, den dritten Teil nachträglich hinzuzukaufen, falls ich um 17 Uhr noch geradeaus gucken kann und keine offensichtlichen und bleibenden Schäden aufweise. Beim Eintritt wirft mir der Kartenabreißer denselben mitleidsvollen Blick zu, den vermutlich auch ein Trainer einem Marathon-Läufer kurz vorm Start zuwirft oder den sich zwei DVDBoard-Moderatoren unmittelbar vor dem Verkaufsstart eines neuen divx-Playas mit einem lauten Seufzen zuwerfen werden.

09:55 Uhr
Ich sichere mir einen schönen und strategisch perfekt gelegenen Platz im Kino: Nicht ganz hinten aber mehr hinten als vorne, nicht ganz mittig sondern etwas nach links versetzt und genau hinter einen leeren Platz, der rechts und links von einer Zweiergruppe beflankt und mit deren Jacken belegt ist und damit im Lauf des Triple Features sehr wahrscheinlich leer bleiben wird, was mir eine ungehinderte Sicht nach vorne ermöglicht. Dabei schaffe ich es auch noch mich nicht direkt sondern seitlich versetzt vor das Pärchen hinter mir zu setzen, sodass auch dieses freien Durchblick nach vorne hat. So muss das sein! Jacke und Rucksack flankieren meinen Sitz rechts und links und die Mineralwasserflaschen werden in die Sitzhalterungen gesteckt. So lässt es sich 10 Stunden aushalten. Hoffentlich....

10:00 Uhr: Werbung
Eigentlich stört mich Werbung ich Kino nicht so sehr. Das verhindert vor allem, dass die obligatorischen zu-spät-Kommenden in den Hauptfilm platzen. Und schließlich ist auch ein gewisses berufliches Interesse dabei - schließlich verdiene ich mein Geld nicht mit dem Schreiben absurder Texte sondern mit Werbung. Trotzdem reichen 9 Stunden Hauptfilm eigentlich schon aus und müssen nicht noch durch Werbespots verlängert werden. Na, egal. Das schaffen wir auch noch. Also beobachte ich kritisch die dargebotenen Werbespots und frage mich wieder einmal, ob galoppierende Blödheit mittlerweile Voraussetzung für einen Job in der Werbefilmbranche ist, oder einfach nur tolerierte Gewohnheit.

Die absolute Spitze ist dabei ein neuer Werbespot von Axe, in dem Frauen 24 Stunden am Tag verführerisch sein wollen, weil ein dämlich dreinschauender spätpubertierender Jüngling sich Axe unter die behaarten Schmachtachseln gesprüht hat. Logisch... deshalb tragen Frauen am McDoof-Drive-in-Schalter oder in der Autowaschanlage Abendkleider und Stöckelschuhe. Haben vernünftige Frauen nichts Besseres zu tun, als sich für bepickelte Hackfressen in halsbrecherische Klamotten zu zwängen und in diesem Outfit Drecksarbeit zu verrichten? Ich finde das Fernfahrerkompatible Frauenbild dieses Spots wirklich erschreckend. Allerdings wird der Axe-Spot - wie auch alle anderen - locker von der ‚Mutter aller Schnäppchen' getoppt, die an Blödheit wirklich nicht mehr zu übertreffen ist. Das einzige, was die (nicht nur aktuellen) Media Markt Spots an Hirnlosigkeit noch überbietet ist der Saturn-Slogan "Geiz ist geil". Aber ich schweife ab... vergessen wir also weitere Peinlichkeiten wie die T-Online-Foto-Sofotbestellung, deren Bote schneller an der Tür klingelt als ein High Tech Drucker zum Ausdrucken der gewünschten Bilder benötigt und wenden uns Wichtigerem zu: Einem Werbeblockabspann, der noch mal an das Ausmachen von Handy erinnert (sehr gute Idee!) und zum Lord of the Rings Triple Feature Part One:

10:20-13:00 Die Gefährten
Tja, was soll ich sagen: Ich fand den Film vom Anfang bis zum Ende orgastisch. Bilder, Musik, Schauspieler, Trickeffekte - ich war 3 Stunden vollkommen hin und weg und habe um mich herum nicht mehr viel wahrgenommen. Und das ist für mich irgendwie immer noch das, was im Kino passieren muss, warum ich ins Kino gehe: Um für eine kleine Weile möglichst vollkommen in einer Traumwelt zu versinken und die öde Realität zu vergessen. Und das hat im ersten Teil dieser Trilogie hervorragend geklappt: 3 Stunden visuelle Besoffenheit vom Feinsten. Das ist einfach Kino at it's best.

Das geht natürlich nur dann, wenn die Sitze bequem sind. Was im Abaton mehr der Fall ist als in jedem anderen Kino. Und wenn das Publikum mitmacht, die Fresse hält, nicht knistert, bläht oder ständig aufs Klo rennt. Was ebenfalls und tatsächlich der Fall war. Ich habe selten ein so kultiviertes Publikum erlebt, alle Achtung. Meine Ausrüstung konnte deshalb auch in der Tasche bleiben. Und es war nicht notwendig, dem Publikum sozusagen als Rache für das unkultivierte Verhalten das Filmvergnügen zu versauen.

Zum Beispiel durch den überraschen Ausruf
"Hey das ist doch das Teletubbieland!"
während die grünen Weiden des Auenlandes über die Leinwand schimmern. Mal ehrlich: Eigentlich fehlen da nur noch Karnickel, die Duschbrausen, der Brunftgeräusch-fabrizierende Staubsauger und natürlich die debil glucksende Sonne. Und das Teletubbieland ist perfekt.

Fraglich nur, was Bigfoot Junior dort verloren hat. Im ersten Moment dachte ich an ein gefickt eingeschädeltes Crossover a la 'Teletubbies vs. Bigfoot ohne die Hendersons'. Die Füße sind ja wirklich gigantisch. Und so behaart wie Michel Piccolis Rücken (Gruß an die Freunde des französischen Kinos!). Das habe ich aber ebenfalls für mich behalten.

Nur schwer konnte ich mir beim ersten Anblick von Elrond die Warnung:
"Achtung, der kann sich verdoppeln!"
verkneifen. Mal ehrlich - was Agent Smith in Mittelerde zu suchen hat ist mir immer noch ein Rätsel. Und es stört einfach, wenn man bei Herr der Ringe an Matrix denkt. Das ist in etwa genauso, als würde Tom Selleck anstelle von Julia Roberts die Elfe in "Hook" spielen. Und man müsste die ganze Zeit an Magnum denken.

Etwas Vorwissen vorausgesetzt macht man sich im Kino sicherlich auch Freunde, wenn man dem verängstigten Publikum die Angst ein wenig nimmt und beim ersten Auftritt von Aragon im 'Tänzelnden Pony' laut ruft:
"Keine Angst, das ist der König aus dem dritten Teil!"
oder beim glatt inszenierten Abgang von Gandalf:
"Keine Angst, der ist nicht tot, der wird nur grad umlackiert!"

Wie dem auch sei - ich will nicht den Eindruck erwecken, ich hätte den Film nicht genossen. Während der Vorstellung war ich wirklich hin und weg und habe brav meinen Rand gehalten. Und mit einem - wie schon beschrieben - hochkultivierten Publikum dieses filmische Meisterwerk einfach nur genossen.

13:00 Erste Pause
Die Zeit verging wie im Flug und die erste Pause kam überraschend schnell. Also hoch die Knochen, ab aufs Klo, kurz mal raus vor die Tür, frische Luft schnappen und sich vergewissern, dass man sich in Hamburg City und nicht in Rohan befindet und wieder rein ins Vergnügen. Erstaunlicherweise blieben einige Leute sogar in der Pause sitzen und nutzten nicht wie eigentlich jeder halbwegs vernünftige Mensch die Möglichkeit, mal ein wenig rumzustehen. Nun ja, nicht mein Problem. Jeder wie er will!

13:30: Werbung
Ich habe nicht wirklich etwas gegen Werbung, nein. Ich verstehe auch, dass ein Kino Werbung zeigen muss um sich zu refinanzieren. Kein Problem. Lästig wird es allerdings dann, wenn man innerhalb von dreieinhalb Stunden zweimal haargenau dieselben idiotischen Werbespots in haargenau derselben Reihenfolge vorgesetzt bekommt. Die Media Markt Mutter aller Schnäppchen samt Sohnemannhackfresse im J.R.-Outfit, T-Online-Turbobestellung und natürlich auch wieder die aufgedonnerten Frauen im Abendkleid in Auto Waschanlage, Drive-In-Schalter und Fischfabrik. Sehr apart... wenigstens bekomme ich so keinen Hunger. Also Augen zu und durch, schließlich freut man sich auf

13:45-16:30 Die zwei Türme
Tja, auch der zweite Teil hatte es in sich. Allerdings begeisterte er weniger von Anfang an, sondern verlor sich im ersten Drittel teils mühselig in relativ unzusammenhanglos montierten Erzählebenen. Anfangs fehlt mir hier einfach ein bisschen das 'Flüssige' in der Erzählstruktur des ersten Teils. Der Mittelteil einer Trilogie hat es halt nie besonders leicht. Und insgesamt entwickelte sich auch der zweite Teil trotz der anfänglichen Konfusion zu einem unglaublich beeinduckenden Kinoerlebnis, das die anfängliche Mühseligkeit schnell vergessen ließ.

Spätestens mit dem Beginn der Schlacht um Helms Klamm saß ich dann wieder 100% fasziniert vor der Leinwand, vergaß das um-mich-herum und zitterte mit den Helden mit. Und war am Ende wiederum überrascht, dass die Zeit schon um war. Wenn man wirklich richtig "im Film drinhängt", verliert man einfach jegliches Zeitgefühl. Je faszinierender der Film ist, desto weniger Zeit vergeht gefühlsmäßig. Oder je mehr Zeit vergeht, die man nicht bemerkt.

Auch beim zweiten Teil war das mittlerweile etwas gewachsene Publikum vorbildlich - abgesehen von ein wenig Gerüttel an meiner Stuhllehne, vermutlich weil den hinter mir sitzenden Homo Sapiens wohl das Fahrgestell Probleme bereitete. Leicht zu erraten: Es handelte sich um die "Pausen-Sitzenbleiber". Kein Wunder. Aber egal, das war auch wirklich das Einzige, was ein wenig vom Film ablenkte.

Und damit wie schon beim ersten Teil gezielte Provokationen oder Racheaktionen unnötig machte. Wobei der zweite Teil aufgrund seiner beeindruckenden Machart auch nicht viel Raum für zynische Bemerkungen lies. Man hätte vielleicht beim ersten Frontalanblick Gollums rufen können: "Fass ihn nicht an, der hat AIDS!" Oder beim Wehklagen über die fehlenden Mitstreiter für die Schlacht um Halms Klemm nach Braveheart rufen können. Wenn der Film einfach nicht so fesselnd gewesen wäre. Also auch hier: Kinogenuss und Faszination pur.
Da ich um 16:30 immer noch sitzen konnte und vor allem einfach wissen wollte, wie es weitergeht und überhaupt keine Lust hatte, Mittelerde zu verlassen fiel die Entscheidung leicht, auch noch den dritten Teil auf sich zu nehmen.

16:30 Zweite Pause
Also kurz SMS an die EBH, die ungläubig zurückfragte, ob das auch sicher der einzig bleibende Schaden sei und ab zur Kinokasse, wo ich die Verkaufsdame mit den Worten
"Gib mir Teil drei, ich brauch das jetzt - ich kann nicht aufhören"
ziemlich verwunderte. Es scheint doch nicht so viele Verrückte zu geben, wie ich dachte. Vielleicht lag's auch an der Jogginghose, wer weiß...

Egal: Karte geholt, schnell aufs Klo und pünktlich um 17 Uhr war ich wieder im mittlerweile recht gut gefüllten Kinosaal und freute mich auf den dritten und letzten Teil.

17:00: Werbung, die Dritte
Ich hatte es befürchtet. Und ich hatte Recht: Zum dritten Mal an einem Tag dieselben dämlichen Werbespots in haargenau derselben Reihenfolge. Wieder E-Plus, wieder Mutter Schnäppchen und natürlich wieder die saudumme Axe-Werbung. Habe ich schon erwähnt, das dort auch eine Abendbekleidete und voll beschmuckte Frau am Fließband einer Fischfabrik gezeigt wird, auf dessen Boden sich glibberige Fischabfälle zwischen dem stöckelbeschuhten Diamantkettchen tragenden Fußapparat der Lady befindet, der sich infolge einer ein-Fuß-kratzt-den-anderen-Aktion auf dem wohlgeformten Unterschenkel der Dame verteilt, und ebenso auch in der hübsch beschminkten Visage, die angestrengt auf das Fließband mit glibberigen Fischorganen schaut und beim Schweißabwischen von der Stirn auf ebendieser verteilt werden?

Hallo, Axe-Management! Hallo, Axe-Werbeangetur! Ihr habt es geschafft! Wenn ich ‚Axe'-Produkte sehe denke ich unweigerlich an FISCHGERUCH! Diese Verbindung wird ewig in meinem Kopf festgegraben sein. So fest wie "Freude am Fahren" mit BMW verbunden ist, oder "Vorsprung durch Technik" mit Audi oder "Nicht nur sauber, sondern rein!" mit Ariel. Ich werde nie wieder ein Duschgel, ein Deospray oder sonst was kaufen, was mich an FISCHORGANE denken lässt. Wer einmal einen richtig fetten Fisch ausgenommen hat, der weiß, wie intensiv und wie lange das riecht. So wie Axe halt. Für mich jedenfalls. Bei mir habt ihr verloren - endgültig!

17:30-20:40 Die Rückkehr des Königs.
Nach dem Ende des zweiten Teils, den ich zwar auch irre beeindruckend aber nicht ganz so gelungen wie den ersten Teil fand habe ich mir ernsthaft überlegt, ob man das noch toppen kann. Oder ob der dritte Teil eine Enttäuschung wird.

Nichts dergleichen, sondern im Gegenteil: Diese über drei Stunden haben sämtliche Erwartungen noch getoppt. Perfektes Kino einfach. Unglaubliche Spannung. Unglaubliche Trickeffekte. Wahnsinnsmusik. Hervorragender Schnitt. Besser kann man es vermutlich nicht machen. Wie sonst ist zu erklären, dass ich am Ende enttäuscht war, dass die Trilogie - nach knapp 10 Stunden im Kino - schon zuende war? Ich hätte in diesem Stil noch mal 10 Stunden weiterschauen können. Am liebsten wäre ich am Ende in die Leinwand gesprungen und hätte Hamburg City gegen Mittelerde getauscht. Na ja, nicht wirklich - jedenfalls nicht, ohne meine geliebte EBH mitzunehmen. Aber mit ihr auf jeden Fall.

Verständlich, dass ich im dritten Teil das Publikum gar nicht mehr wahrnahm. Mir fallen jetzt auch keine lustigen Sprüche mehr dazu oder zum Film ein. Er war einfach zu gigantisch. Und als ich das Kino letztendlich müde, kaputt und schon etwas steif aber keineswegs so gerädert, wie ich erwartet hatte verließ und draußen statt den grünen Weiden vom Auenland der Hamburger Uni-Parkplatz erschien war ich schon etwas enttäuscht. Und es war nicht ganz leicht, wieder in die Normalität zurückzufinden. Ganz ist es mir wohl nicht gelungen...

Nachwirkungen und Spätfolgen
Verständlich, dass mein Gang nach 10 Stunden Kino etwas ungelenk war. In Verbindung mit meiner tollen Kinokluft muss das ein unvergesslicher Anblick gewesen sein. Man stelle sich einen in ALDI-Jogginghose, Harry-Potter T-Shirt, Sesamstraßenstrickmütze und Adiletten bekleideten, manisch "Mhhhmm... Euch zu knechten....mmmhmmm..." vor sich hin murmelnden und den Ehering liebevoll streichelnden Mittdreißiger im Hamburger Universitätsviertel vor...

Liebes Abaton-Kino: Falls ich mit diesem Anblick etwaige Besucher das anschließend wiederholt gezeigten dritten Teils Besucher abgeschreckt habe: Es tut mir leid. Das war nicht meine Absicht.

Ebenso tut mir meine EBH leid, die bis heute nicht ganz versteht, warum ich mich bei Ihrer Begrüßung mit den Worten "Mein Schatz!!!" auf der Stelle umdrehte und versuchte, zu flüchten. Die Verwendung dieser unter uns üblichen Kosefloskel ist momentan nicht mehr möglich, ohne dass ich Angstflackern in den Augen bekomme und voll panischer Angst versuche, meinen Ehering abzustreifen. Sollte meine EBH je auf die Idee kommen, mich abends mit den Worten "Mein Schatz... mein ein und alles" in den Schlaf zu streicheln, werde ich mich wohl nach Modor auf den Weg machen müssen. Leider steht die Gegend weder im Falk- noch im ADAC Plan Europa. Mal sehen, ob ich auf meine Beschwerdemails an die Verantwortlichen Antwort bekomme.

Ebenfalls eine lange Zeit wird es dauern, bis ich Halbwüchsigen wieder direkt ins Gesicht und nicht erst auf die Füße schaue. Ich werde mich wieder dran gewöhnen müssen, dass Kinder und Jugendliche bei uns normal sind (einige jedenfalls ;)), Hobbits aber eher die Seltenheit. Und auf mein Protestschreiben an die hiesige Volkshochschule, wann denn endlich Sprachkurse in Elbisch abgehalten werden kam bis heute keine Antwort.

Das ist halt die traurige Realität. Am liebsten würde ich morgen wieder ins Kino... da läuft das komplette Triple Feature nämlich noch einmal. Aber ich werde wohl doch lieber zuhause bleiben, bevor ich vollends abdrehe.

Bleibt der Trost, dass ich nicht ganz allein bin. Und dass sich in diesem und auch in anderen Foren eine Menge ebenso Verrückter tummeln, denen es vielleicht ähnlich geht. Vielleicht sollten wir uns zusammenschließen als Selbsthilfegruppe für HdR-Infizierte. Oder einfach mal zusammen ins Kino gehen ;)

Greetz, TschoK


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